Zünfte


Zunft zur Waag

«Wollenwäber, Wollenschläger, Grätucher (Grautucher) und Hutter (Hutmacher) sullen haben ein Zunft und ein Panner», heisst es im 1. Geschworenenbrief, sowie «Lyniwäber, Lynwadter (Leinwandhändler) und Bleycher sullen (ebenfalls) haben ein Zunft und ein Panner.» Mit diesen Worten wurden von Ritter Rudolf Brun 1336 zwei weitere Handwerkszünfte ins Leben gerufen. Diese sollten sich 1440 unter dem Begriff «zur Waag» zusammenfinden.

 

Die ersten Handwerkerkorporationen, welche nördlich der Alpen im 11. Jahrhundert entstanden, umfassten meist ein Gewerbe und waren auf Abwehr der auswärtigen Konkurrenz, Regelung der Produktion sowie die Handhabung der Gewerbegerichtsbarkeit ausgerichtet. Sie werden als Innungen oder «antwerck» (Handwerk), oft auch schon als Zunft bezeichnet. Politische Ambitionen, die später eine so grosse Rolle spielen sollten, gehörten ursprünglich noch nicht zur Zielsetzung. Die damaligen Inhaber der Macht fürchteten offenbar, dass wirtschaftliche Verbände als Vertreter des niederen Volkes vermehrten Einfluss erlangen könnten, und verboten ihnen deshalb jede politische Betätigung. So stellt denn auch der Zürcher Richtebrief - er mag einige Jahre vor dem Bundesbrief von 1291 entstanden sein - mit aller Schärfe fest, «dass nieman(d) werben noch tuon (gründen) sol enhein (keine) zunft noch meisterschaft mit eiden mit worten noch mit werchen …». Und auf Verletzung des Gebots standen ausserordentlich harte Strafen: Hausabbruch, hohe Busse und Landesverweis. Trotz Verboten und teilweise rücksichtsloser Unterdrückung von Aufständen durch die Stadtherrscher und ihre Gefolgschaft war der Aufstieg der Zünfte zur Beteiligung an der politischen Macht jedoch nicht aufzuhalten. So folgten sich denn seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert die politischen Umstürze und Verfassungsänderungen und sicherten den Zünften Anteil an der Regierung oder gar Übermacht in den Räten. Interessant bleibt indessen, dass eine eigentliche Zunftdemokratie fast nirgends von Dauer war.

 

TEXTILZÜNFTE ZUR ZEIT DER ZUNFTREVOLUTION

In den zum Teil mit grosser Heftigkeit ausgetragenen Kämpfen zwischen Zünften, Stadtherr, Rat und Ritterschaft spielten die Textilzünfte eine wichtige Rolle. Sie waren es, die durch die Produktion verschiedener Gewebe für viele Märkte eine oft erstaunlich hohe Zahl von Webstühlen beschäftigten und durch ihre Handelstätigkeit der Stadt willkommene Einkünfte sicherten. Sie waren bedeutend an Zahl und empfanden als Vertreter der grossen Masse den Ausschluss von der politischen Tätigkeit besonders. Vor allem in den flandrischen Städten hatte die Dominanz der Wollverarbeitung sehr früh zur Entstehung einer eigentlichen Textilindustrie geführt. Sie war auf den Rohstoff aus England angewiesen und reagierte besonders heftig auf jeden Beschäftigungsrückgang infolge politischer Ereignisse oder Absatzschwierigkeiten. Aber auch am Oberrhein und in schweizerischen Städten spielt das Wolle und Leinen fabrizierende und verkaufende Handwerk im frühen 13. Jahrhundert eine überdurchschnittliche Rolle.

Im Gegensatz zu den reichen Handelszünften vertraten die Woll- und Leinenweber die Sache der ärmeren Schichten. Ihr Vorgehen war sehr oft aggressiv und radikal. In Zürich lässt die Tatsache, dass dem Textilgewerbe zwei Zünfte zugebilligt wurden, auf entsprechende Bedeutung schliessen. Aber nicht nur die Doppelvertretung, auch andere Tatsachen deuten in die gleiche Richtung: Schon im Richtebrief und wiederum 1304 finden wir Hinweise auf die Bedeutung von Zürichs Woll- und Leinenweberei; dem Gewicht des Textilgewerbes entsprechend stehen die Tuchscherer und Schneider in der neuen Verfassung von 1336 hinter Constaffel und Krämern (Saffran) an dritter Stelle. Und im selben Jahr ersuchen die Wollenschlager- und Wollenweberknechte Zunftmeister und Meisterschaft, das in den Rheinstädten bestehende Krankenkassensystem einzuführen. Dieses Gesuch zeigt, dass bereits damals überregionale Bestrebungen für die Personalfürsorge der Betriebe im Gange waren.

 

DIE ZÜRCHER ZUNFTORDNUNG VON 1336

Die Zürcher Umwälzung von 1336 unterscheidet sich in einem Punkt von allen andern der Zeit: Nur hier verbindet sich die neue Ordnung, wie sie anderswo auch eingeführt wurde, mit dem Element der Signorie nach oberitalienischem Muster. Rudolf Brun, ein Ritter, macht sich zum Bürgermeister auf Lebensdauer und spielt zwischen den beiden gleichstarken Parteien der Adeligen und Alteingesessenen einerseits und der Zünfte neuer Art das Zünglein an der Waage. Er formuliert seine Tyrannis im Ersten Geschworenenbrief, der im Übrigen weitgehend dem Vorbild des zwei Jahre früher abgefassten Strassburger Schwörbriefs folgt. In der Hierarchie von 1336 stehen die beiden Textilzünfte an fünfter und sechster Stelle. «Wollenwäber, Wollenschlager, Grätucher (Grautucher) und Hutter (Hutmacher) sullen haben ein Zunfft und ein Panner», heisst es im Geschworenenbrief, sowie «Lyniwäber, Lynwadter (Leinwandhändler) und Bleycher sullen (ebenfalls) haben ein Zunfft und ein Panner».

Zunft und Panner: Die beiden Begriffe stehen als Stichworte für das Resultat der nun abgeschlossenen Auseinandersetzung: Die Vereinigungen der Händler und Handwerker sind zur politischen Macht - eben einer bisher verbotenen Zunft - geworden. Als Gegenleistung stellen sie sich als militärische Einheit zum Wachtdienst und für den Auszug unter ein Panner. 1336 beginnt eine neue Zeit: Zürich ist Zunftstadt geworden. Für die damaligen beiden Textilzünfte kamen bald nach dem Tod von Bürgermeister Brun schwere Zeiten. Der alte Zürichkrieg, der vierzehn Jahre dauerte, brachte die Wirtschaft der Stadt in katastrophale Schwierigkeiten; die gesamte Ausfuhr von Gütern erlahmte. So erstaunt es kaum, dass die Zahl der Wollen- und Leinenweber noch stärker zurückging als die Gesamtbevölkerung, welche sich von 1350 bis 1460 von 7000 auf 5000 Einwohner reduzierte. 1440 fanden die «Wollenen» samt den Hutmachern Unterschlupf bei den Leinenwebern, und von diesem Zeitpunkt an nennen sich die so zu einer Zunft vereinigten Handwerker nach ihrer Trinkstube am Münsterhof «zur Waag». Von der wirtschaftlichen Einbusse jener Zeit hat sich die Zunft nie mehr ganz erholen können. Ihre politische Bedeutung blieb gering. Ihre Hauptaufgabe bestand in gewerbetechnischen Funktionen und hier vor allem in der Wahrung des Qualitätsprinzips. Die hohe Politik bestimmten Constaffel, Saffran und Meise, deren führende Familien während Jahrhunderten die eigentlichen Regierungsgeschäfte besorgten.

 

DIE GESCHICHTE DES HAUSES ZUR WAAG

Die erste Erwähnung des Hauses findet sich in einem Ratsurteil von 1303, das den damaligen Besitzerinnen ein Höherbaurecht einräumt. 1315 kauft Peter Schmid, ein Arzt aus Biel im Goms (Oberwallis), das Haus. Der Erwerb steht im Zusammenhang mit der Stiftung einer Pfründe für den Maria-Magdalena-Altar im Grossmünster. Peter Schmid hatte enge Beziehungen zum dortigen Chorherrenstift wie auch zum Fraumünster. Wahrscheinlich war er der Leibarzt der Äbtissin Elisabeth von Matzingen. Nach seinem Tod (1334) errichtete man aus seinem Vermächtnis in seiner Heimatgemeinde eine Kapelle.

 

Ob der Name des Hauses «zur Waag» auf seinen Beruf als Arzt und Apotheker zurückzuführen ist oder auf den Standort der Markt-Waage am Münsterhof, bleibt unsicher.

«Zur Waag» wird das Haus erstmals 1385 genannt, als die wirtschaftliche Lage der Textiler bereits misslich war. 22 Mitglieder der Leinenweber erwerben das Haus um 108 Goldgulden für ihre Zunft; offensichtlich war diese selbst dazu nicht in der Lage. Erst 1405 ist es soweit: Von nun an gilt das «Haus zur Waag» als der Weber Trinkstube. 1440 ziehen als Folge der erwähnten Fusion auch die Wollweber dort ein.

1630 - die Zeiten waren wieder besser - erwirbt die Waagezunft das anstossende Haus «zum geilen Mönch» um 800 Gulden. 1636 erfolgte der Abbruch dieses Hauses und der alten «Waag». An ihrer Stelle wurde bis 1637 das heutige schöne und stattliche «Zunfthaus zur Waag» am Münsterhof 8 erbaut. 1801, nach Aufhebung der Zunftverfassung, gelangte es durch Kauf an einen Waagzünfter, doch sicherte sich die Zunft glücklicherweise das Rückkaufsrecht und ebenso die Berechtigung, ihre Versammlungen weiterhin dort abzuhalten. 1828 konnte die Zunftgesellschaft zur Waag ihr angestammtes Haus um 19000 Gulden wieder zu Eigentum erwerben.

Verschiedene Renovationen der neueren Zeit haben «Verschlimmbesserungen» des späten 18. Jahrhunderts am Äusseren und im Inneren eliminiert. Wiederhergestellt, verkörpert das Haus mit seiner stattlichen, behäbigen Giebelseite zum Platz und dem das Datum 1637 tragenden klassischen Portal bodenständige, bürgerliche Ruhe. Seine architektonische Besonderheit besteht im Gegensatz zwischen der in ihrer Grundkonzeption gotischen Fassade und den Spätrenaissance-Elementen der Innenräume.

 

Bürgermeister, Dichter und Maler

Andreas Meyer (1635 - 1711) aus dem Geschlechte der «Weggen-Meyer» war der erste Bürgermeister, den die Waag stellte. Als reicher Kaufmann verfügte er über wichtige Kontakte im Ausland. Deshalb wurde er von der Stadt schon früh in diplomatischen Missionen an fremde Höfe entsandt. Zunftmeister zur Waag seit 1668, brachte er es als begabter Offizier bis zum Rittmeister und obersten Feldhauptmann des «Corps der eidgenössischen Defensionalvölker» (1678). Von 1696 bis 1711, also volle 15 Jahre, versah er das Amt des Bürgermeisters.

 

Der Dichter und Maler Johann Martin Usteri (1763 - 1827) darf als der berühmteste Waag-Zünfter gelten. Und zwar verdankt er diese Berühmtheit einem einzigen Lied, ja eigentlich dem Refrain dieses Liedes «Freut Euch des Lebens», das seit seiner «Premiere» im Plattengarten in fast alle Sprachen übersetzt worden ist. Die Vertonung seines Gedichts stammt von Isaak Hirzel, einem Vetter Salomon Landolts. Für das Zunftwesen kommt ihm insofern Bedeutung zu, als er als erster die Mundart für die Reden am Sechseläuten durchsetzte und für die Organisation von Festen ein ganz besonderes Talent bewies. Mut und Geistesgegenwart bewies er in der Franzosenzeit, als er die Zürcher Staatskasse mitten durch die Soldateska auf dem Münsterhof ins Fraumünster rettete.

ZH Zürich Restaurant Zunfthaus zur Waag

Sepp Wimmer, Wirt der Zunft zur Waag bereitet für die hungrigen Zünfter am diesjährigen Sechseläuten im Gewürzsud gekochte

Kalbszunge an Marsalajus auf Champagnersauerkraut und Petersilienwurzel-Kartoffelstock zu.

 

Zutaten:

2 Kalbszungen gesalzen (max. 800 g)

100 g Gemüsebündel (Stangensellerie, Karotten, Zwiebel)

2 Knoblauchzehen

je ein Lorbeer, Piment, Nelke

je 5 schwarze Pfefferkörner, Wacholder

1 Kräuterbündel frisch (Rosmarin, Thymian, Bohnenkraut, Kerbel)

8 dl weisser Kalbsfond

1 dl Kochwein weiss

1 dl Kochwein rot

1 dl Marsala

8 dl brauner Kalbsfond

400 g Butterwürfel

 

Zubereitung:

Die Kalbszungen blanchieren anschliessend zuerst heiss und dann kalt abspülen. Kalbsfond aufkochen, jetzt die Zungen, Gewürzsäcklein, Kräuterbündel und den Weisswein zufügen. Die Kalbszungen knapp unter dem Siedepunkt, unter gelegentlichem Abschäumen und Abfetten, weich sieden (ca. 1 1/2 Stunden), danach aus dem  Gewürzsud nehmen, schälen und erkalten lassen. Nach dem Abkühlen der Länge nach in dünne Scheiben schneiden. Den Gewürzsud passieren und 1/3 davon auf Sirupkonsistenz reduzieren lassen, mit braunem Kalbsfond mischen. Den Rotwein und Marsala ebenfalls auf Sirupkonsistenz einkochen und mit dem Kalbszungenfond mischen, auf 0.4 l reduzieren lassen. Kurz vor dem Servieren 0.4 kg kalte Butterwürfel unterrühren und so die Sauce binden. Den restlichen Gewürzsud auf 80°C erhitzen und die Zungenscheiben darin heisslegen.

Dazu wird der Zunftwein Worrenberger Paradysli aus der Kellerei Landolt gereicht. Die Weine der Reblage über Flaach und Volken im Zürcher Weinland, wurden früher als Flaacher, Volkemer oder Flaachtaler verkauft. Der Name Worrenberg entstand wurde 1951 durch die Weinkellerei Landolt eingeführt. Die ortsansässige Bevölkerung sprach nie vom Worrenberg, sondern nur vom Berg oder der Reblage am Berg. Heute zählt der Worrenberger Paradysli neben dem Schiterberger Himmelsleiterli zu den bekanntesten und beliebtesten Zürcher Weinen. Tiefes Rubinrot. Intensiv beerige Aromatik mit spürbarer Cassisnote. Kraftvoll am Gaumen. Lang und geschmeidig im Abgang.

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