Graz – Österreichs heimliche Liebe
Im südöstlichen Teil Österreichs gelegen, bildet Graz den Mittelpunkt der Steiermark. Einwohner und Touristen zugleich sprechen vom toskanischen Süden unseres östlichen Nachbarlandes. Mit rund 250'000 Einwohnern ist Graz die zweitgrösste Stadt nach Wien.
Gründe, um nach Graz zu reisen gibt es genügend. Die Stadt bietet Kultur, beherbergt drei Universitäten, und eine zeichnet sich durch eine rege «Beisl»-Szene aus.
Lipizzaner. Das Wort genügt und wir riechen den Schweiss und vernehmen das Donnern der Hufe, die von dannen stieben, blitzend im Abendlicht. Wir spüren die geblähten Nüstern und majestätisch, stolz – weisse Pferde, Italiener von Natur, Erzherzogs Karls II. wildem Geblüte 1580 entsprungen. Seit den Tagen des ersten Weltkriegs, als sie von Triest nach Laxenburg bei Wien und wegen des kühlen Klimas in die Steiermark umgesiedelt wurden, seit jenen Tagen haben sie hier in Piber vor den Toren Graz’s ihre Heimat. Schwarz, ja kohlschwarz werden sie in die Welt geboren, bevor die besten unter ihnen nach drei Jahren schneeweiss den Weg in die spanische Hofreitschule nach Wien und der profanen Glanz all der Staatsbesuche, Bankette und Pirouette antreten.
Auf dem Weg zurück nach Graz begegnen wir ein erstes Mal Friedrich Stohwassers Schaffen. Stohwasser ist uns unter seinem Künstlernamen Friedensreich Hundertwasser ein Begriff. In Bärnbach schuf er die Pfarrkirche St. Barbara während den Jahren 1987/88 nach seinem Konzept. Charakteristisch sind seine Farbkombinationen und der goldene Zwiebelturm. In seiner stark farbigen Malerei mit ornamentaldekorativ verschlungenen Linienzügen setzt der am 15. Dezember 1928 geborene Hundertwasser die Tradition des österreichischen Jugendstils fort. Ein weiteres Werk Friedensreich Hundertwassers ist die Therme von Bad Blumau. Etwa eine Autostunde von Graz entfernt liegt das verschlafene Städtchen Bad Blumau. Rund zweihundert Einwohner zählt es. Eintauchen in Thermalquellen aus der Jugendsteinzeit, vielfältige Erholungs- und Entspannungsangebote fernab von Stress und Alltag. «Es ist ein religiöser Akt, Erde auf dem Dach zu haben und Bäume über sich wachsen zu lassen. Dieser Akt versöhnt mit Gott, mit der Natur», so Hundertwasser zu seinem jüngsten Werk. Für den Künstler ist Wasser eine Art Zuflucht, ein Refugium, in das er sich immer flüchten könne. Das Höchste in Graz ist der Schlossberg. Der kleine grüne Berg (473m) mit Uhrturm, 5m grossen Zifferblättern und vertauschten Zeigern, zieht jeden Besucher an, auch uns. Von hier aus geniessen wir den Ausblick auf die roten Hügel der Grazer Ziegeldachlandschaft, die grünen Hügel der Umgebung und den Fluss, der die Stadt ähnlich wie in Basel in zwei Stücke teilt. Die Fensterläden vor den hohen Grazer Fenstern, die südliche Luft, das Stimmengewirr in den engen Gassen, all das macht aus der Grazer Altstadt eine romantische Ecke, die seinesgleichen in Österreich sucht.
Steirische Küche
Ein Blick in die steirischen Kochtöpfe genügt, um zu wissen, dass es auch hier an Spezialitäten nicht mangelt. Im Gegenteil, kulinarisch betrachtet biegen sich die Tische in der Steiermark. Vor allem auf den vielen Bauernmärkten, von denen die grössten am Kaiser-Josef-Platz und am Lendplatz täglich frische Produkte vom Bauernhof anbieten. Kürbiskernöl und der zwiebelfarbene Schilcher, eine Weinrarität aus der Weststeiermark, machen Graz zu einem gastronomischen Zentrum. Es ist ein eigen Flecken Land, das Schilcherland. Eigen wie der Schilcher, der hier für das Entwickeln seines eigenartig-duftenden Buquettes und seiner angenehm-fruchtigen Säure, die idealen Wachstumsbedingungen und Voraussetzungen findet. Sanft geschwungene Hügelketten, schattige Gräben und Talniederungen, umrandet von rebenbepflanzten Steilhängen kennzeichnen das weststeirische Schilcherland. Im Westen begrenzt die Koralpe das wärmebegünstigte, nach Süden hin offene, Weingebiet. An den oft sehr steilen Hängen am Fusse der waldreichen Koralpe prägen schöne, typisch weststeirischen Bauerngehöfte das Landschaftsbild. Charakteristisch für die Gegend sind die Buschenschenken. «Für mich sind manche Buschenschenken die Kulturinseln, die mit ihrem Eigenleben bewahrenswert sind», schreibt Heidelore Strallhofer-Hödl in ihrem Buch «Höllenhandsls Schilcherparadies». Was sucht der Mensch, der Städter, der täglich angespannt im Beruf ist und Stress bewältigen muss? Sucht er Ruhe, die Ursprünglichkeit, die Urtümlichkeit, will er sich locker und ungezwungen geben und nicht beobachtet sein? Sucht er Geselligkeit, Kommunikation, das sich ergebende Diskutieren mit den Einheimischen oder Fremden am Tisch? Oder will er die Stille geniessen, seinen Gedanken nachhängen, einfach im Grünen, am Bankerl, in einer kleinen Buschenschenken sitzen? Das alles im Einklang mit der Natur, mit einem Glas Wein oder Most und einer guten Jause – das ist Buschenschank. In der Buschenschank verkehrt ein gemischtes Publikum: Familien und alte Leute, die auf einen Schwatz kommen, auch die Jungen zieht es vermehrt zu diesen Kommunikationsoasen. Beim Reden kommen die Leute zusammen – sagt ein Sprichwort – also was liegt näher, als in und um Graz oder ein paar Kilometer westlich die ungezwungene Atmosphäre der Buschenschank zu erleben, die ländliche Idylle unter Obstbäumen oder die untergehende Sonne hinter dem Weingarten, mit einer hausgemachten Jause oder dem vor Ort gekelterten Wein zu geniessen. Die steirische Buschenschank geht übrigens auf ein Edikt von Kaiser Josef II. aus dem Jahre 1784 zurück, wonach man selbsterzeugte Lebensmittel, Wein und Most verkaufen kann. Wie auch die anderen steirischen Weinregionen hat die Weststeiermark mit ihrer reizvollen Landschaft viele Künstler inspiriert. Einer der bekanntesten ist sicherlich Franz Schubert.