Mauro Colagreco vom Mirazur (F) als bestes Restaurant ausgezeichnet
Die «World's 50 Best Restaurants»-Liste gilt mittlerweile als eines der bedeutendsten Gastro-Ratings der Welt. Die Rangliste mit den vermeintlich besten Restaurants der Welt gilt jedoch als umstritten. Sie ist zu intransparent und zu wenig weiblich.
Und dann das - nach der ersten Durchsicht der Schock: Der Schweizer Spitzenkoch Daniel Humm (Eleven Madison Park in New York) taucht nicht mehr unter den besten 50 Restaurants der Welt auf. Genauso wenig wie der letztjährige Erstplatzierte Massimo Bottura (Osteria Francescana in Modena) oder die Gebrüder Rocca (El Celler de Can Rocca in Girona).
Viele Fragen sich, wie diese drei Superrestaurants plötzlich aus der Liste fliegen konnten. Die Antwort ist einfach: «50 Best» hat dieses Jahr eine Regeländerung vorgenommen. Um zu vermeiden, dass ein Restaurant mehrmals hintereinander auf Platz eins landet, wurde eine «Best of the Best»-Liste geschaffen. Genau dort sind Humm, Bottura und die Rocca-Brüder nun gelistet.
Dass es so etwas wie das beste Restaurant der Welt überhaupt geben kann, daran zweifelte René Redzepi bereits 2010, als sein Noma in Kopenhagen zum ersten Mal genau diesen Titel einheimste. «Das wäre ja so, als würde man eine Farbe zur schönsten von allen küren», sagte der Superstar unter den Köchen damals, «also ein Ding der Unmöglichkeit.» Dennoch musste der Däne eingestehen, dass der Spitzenplatz auf der einflussreichen Liste namens «The World’s 50 Best Restaurants» mehr als zuträglich ist für Prestige und Geschäftsgang eines Lokals: «Die zwei Sterne im Guide Michelin, die wir schon hielten, brachten zwar einige regionale Anerkennung, doch auf die Nummer eins der Liste blickt plötzlich die gesamte Welt.»
In den beiden darauffolgenden Jahren konnte das Noma seinen Spitzenplatz behaupten, 2014 landete es zum vierten Mal ganz oben auf der Liste. Und auch bei der Bekanntgabe der neuen Rankings für 2019 in Singapur galt Redzepis Restaurant als Mitfavorit. Eine Änderung im Reglement sah zwar vor, dass die früheren Bestplatzierten fortan ausser Konkurrenz geführt werden und somit von der Wiederwahl ausgeschlossen waren. Das Noma war jedoch nicht von der Regelung betroffen, weil es als neues Restaurant durchging: Es wurde 2016 geschlossen und im vergangenen Jahr an einem neuen Ort wiedereröffnet.
«Nach 18 Jahren sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es an der Zeit ist, mehr Platz zu schaffen für neue Restaurants und Talente», sagt William Drew, einer der Herausgeber der Liste, die wegen der grossen Resonanz längst auf 100 Plätze erweitert wurde und in diesem Jahr sogar 120 Plätze umfasst, um das 120-jährige Bestehen des Hauptsponsors San Pellegrino zu würdigen. «Dazu haben wir eine neue Kategorie namens ‹Best of the Best› geschaffen, in die all jene aufsteigen, die einmal Nummer eins waren».
Reagieren wollte man damit offenbar auch auf eine gewisse Eintönigkeit, die sich in den letzten Jahren eingestellt hat, weil sich immer wieder dieselben Namen unter den zehn Bestplatzierten fanden. Zudem ist Konkurrenz herangewachsen: Im Februar wurde in Paris eine neue Auszeichnung präsentiert, die sich «The World Restaurant Awards» nennt und seitdem mit den «50 Best» um Einfluss, Anerkennung und Sponsoren wetteifert.
«Der wesentliche Unterschied ist, dass wir keine Rangliste erstellen», erklärt Joe Warwick, einer der Verantwortlichen der neuen Awards und einst selbst Mitbegründer der «50 Best». «Dadurch wollen wir vermeiden, Unvergleichbares zu vergleichen, auch weil wir finden, dass ein solches Ranking auf die Dauer zu Vereinheitlichung führt und nur noch ein bestimmter Typ Restaurant prämiert wird. Wir vergeben Preise in verschiedenen Kategorien und sorgen so für Vielfalt.»
Umstritten ist die San Pellegrino-Liste aber nicht nur wegen der Tendenz zur Vereinheitlichung und wegen der Klassifizierung von etwas, was viele für unklassifizierbar halten, sondern auch wegen der Intransparenz ihres Bewertungssystems und wegen des geringen Anteils von weiblichen Küchenchefs auf den Spitzenplätzen. Um Letzterem entgegenzuwirken, herrscht in der tausendköpfigen Jury erstmals Geschlechterparität – bislang allerdings mit bescheidenem Erfolg, wie sich an den gerade einmal vier Frauen zeigt, die es unter die Top 50 geschafft haben. Die Bestplatzierte: die 28-jährige Daniela Soto-Innes (Platz 23) mit ihrem Restaurant Cosme in New York.
Gewonnen hat schliesslich nicht das Noma, das sich mit dem zweiten Platz begnügen musste, sondern das Dreisterne-Restaurant Mirazur des Argentiniers Mauro Colagreco im südfranzösischen Menton – auch ein Lokal, das mit seiner Mittelmeerküche aus frischesten regionalen Zutaten seit Jahren unter den Top 10 rangiert und somit alles andere als eine Überraschung darstellt, genauso wenig wie das Grill-Restaurant Asador Etxebarri im Baskenland, das den dritten Platz belegt.
Bestplatziertes Restaurant aus dem deutschsprachigen Raum ist wieder einmal das Steirereck der Familie Reitbauer in Wien, das auf Platz 17 gelandet ist. Einziger deutscher Vertreter unter den ersten 50 ist Tim Raues gleichnamiges Berliner Lokal auf Platz 40. Andreas Caminada vom Schloss Schauenstein in Fürstenau hat es als einziger Schweizer geradeso auf den Rang 50 geschafft.
Über internationales Interesse freut sich auch der Wiener Heinz Reitbauer, allerdings nicht nur unter den Gästen. «Im Unterschied zu vielen anderen haben wir das Glück, auf eine über Jahrzehnte gewachsene und zum Teil auch internationale Stammkundschaft aufbauen zu können», sagt der Koch und Wirt, der das alteingesessene Steirereck einst von seinen Eltern übernahm. «Die Präsenz auf der Liste sorgt aber auch dafür, dass sich vermehrt junge Köche und Köchinnen aus aller Welt bei uns bewerben. Davon gäbe es sonst mit Sicherheit weniger.»
«The World's 50 Best Restaurants» rühmt sich als fortschrittliches Gastro-Rating, doch bei der Frauenfrage ist auch hier noch Luft nach oben.
Das ganze Ranking von «The World's 50 Best Restaurants» 2019
#50 Schloss Schauenstein, Fürstenau, Schweiz
#49 Leo, Bogotá, Kolumbien
#48 Ultraviolet Paul Pairet, Shanghai
#47 Benu, San Francisco, USA
#46 De Librije, Zwolle, Niederlanden
#45 Sühring, Bangkok, Thailand
#44 The Test Kitchen in Cape Town, Südafrika
#43 Hof Von Cleve, Kruishoutem, Belgien
#42 Belcanto, Lissabon, Portugal
#41 The Chairman, Hongkong, China
#40 Restaurant Tim Raue, Berlin, Deutschland
#39 A Casa do Porco, Sao Paolo, Brasilien
#38 Hisa Franko, Staro Selo, Slowenien
#37 Alinea, Chicago, USA
#36 Le Bernardin, New York, USA
#35 Ateler Crenn, San Francisco, USA
#34 Don Julio, Buenos Aires, Argentinien
#33 Lyle's, London, UK
#32 Nerua, Bilbao, Spanien
#31 Le Calandre, Sarmeola di Rubano, Italien
#30 Elkano, Gipuzkoa, Spanien
#29 Piazza Duomo, Alba, Italien
#28 Blue Hill Farm, Tarrytown, USA
#27 The Clove Club, London, UK
#26 Borago, Santiago, Chile
#25 Pavillon Ledoyen, Paris, Frankreich
#24 Quintonil, Mexiko City, Mexiko
#23 Cosme, New York, USA
#22 Narisawa, Toko, Japan
#21 Frantzén, Stockholm, Schweden
#20 Tickets, Barcelona, Spanien
#19 Twins Garden, Moskau, Russland
#18 Odette, Singapur
#17 Steirereck, Wien, Österreich
#16 Alain Ducasse au Plaza Athénée, Paris, Frankreich
#15 Septime, Paris, Frankreich
#14 Azermendi, Larrabetzu, Spanien
#13 White Rabbit, Moskau, Russland
#12 Pujol, Mexiko City, Mexiko
#11 Den, Tokyo, Japan
#10 Maido, Lima, Peru
#9 Disfrutar, Barcelona, Spanien
#8 Arpège, Paris, Frankreich
#7 Mugaritz, San Sebastian, Spanien
#6 Central, Lima, Peru
#5 Geranium, Kopenhagen, Dänemark
#4 Gaggan, Bangkok, Thailand
#3 Asador Etxebarri, Atxondo, Spanien
#2 Noma 2.0, Kopenhagen, Dänemark
#1 Mirazur, Menton, Frankreich